DER MAGIER –
DAS GRAUEN AUS DER GRUFT


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Rolf Michael
»Ihr sollt nicht lachen! – Ihr sollt euch fürchten!«
- Die cineastischen Produkte der Herren Lamont –

Anno 1982 hatte Werner genügend Geld und Enthusiasmus, ein neues Film-Projekt zu verwirklichen. Ursprünglich wollten wir schon damals einen ZAMORRA-Roman verfilmen. Doch bei näherer Überlegung wußten wir nicht, wie wir diesen von der Sache her aufwendigen Stoff mit unserer spärlichen Trick-Technik realisieren sollten. Der ›Meister des Übersinnlichen‹ schied erst mal aus.
     Auch eine »REN DHARK«-Verfilmung war im Gespräch. Nach einem Wochenende Brain-Storming hatte Werner das Drehbuch schon geschrieben. Aber auch der »Weg ins Weltall« scheiterte an den zu erwartenden immensen Kosten für die Ausstattung. So ganz einfach war die Zentrale der »POINT OF« trotz aller Abstriche auch aus Pappe und Silberfolie nicht herzustellen. Und einen geeigneten Studio-Raum für Innenaufnahmen fanden wir auch nicht. Werner war zwar der Meinung, mein Wohnzimmer würde ausreichen, wenn man die Möbel in den Garten stellte und mit viel Pappe und Silberfolie einige Steuerpulte bastelte, aber ich gestehe, daß ich ihm das ausgeredet habe. Irgendwo hat alles seine Grenzen – und die fangen bei meinen privaten Gemächern an.
     Allerdings gab es tatsächlich einige Vorbereitungen für einen »REN DHARK«-Film, weil wir am Schaltpult der Technik im Bürgersaal des Kasseler Rathauses mit Monitoren etc. eine Art Raumschiffzentrale hätten nachstellen können. Und in einem der recht ehrfurchtgebietetenden Konferenz-Zimmer hätte die terranische Regierung von Alamo Gordo Platz nehmen können. Mein Bruder Peter war damals für die Rolle des Ren Dhark vorgesehen, Dan Riker und Anja Field sollte ein ›jugendliches Heldenpaar‹ aus unserer damaligen Langlaufgruppe übernehmen. Eine Insekten-Maske war ebenfalls vorhanden, so daß ein Vertreter der Nogk mitgewirkt hätte. Auch unserem inzwischen verstorbenen Freund Kurt Brand, dem Erfinder der SF-Serie, wollten wir einige Szenen schreiben, die wir dann in Kaltern aufgenommen und in den Film eingefügt hätten … wenn ich mich nicht irre, war es die Rolle des wiedererstandenen Sam Dhark. Ach ja, Werner wollte in diesem Film den ›Intriganten‹ spielen, ich hatte mit die Rolle des Henner Trawisheim 'rausgesucht, und wenn ich nicht irre, war Hans Klipp für die Rolle des Bernd Eylers vorgesehen. Aber wie schon gesagt, es wurde nichts draus, und ich habe die geplante Handlung wie auch den Titel vergessen. Nur Crom mag wissen, ob Werner noch ein Exemplar des damaligen Drehbuchs hat. Eine »REN DHARK«- oder »Professor ZAMORRA«-Verfilmung war für uns also einige Stiefelnummern zu groß.
Regina Stübgen, Rolf Michael, Hans Klipp      Nach langer Suche nach einem geeigneten Filmstoff fiel uns »DER MAGIER« ein. Das war in jenen Tagen ein Geheim-Projekt Dan Shockers, von dem niemand wissen durfte, wer die Romane schrieb. Offiziell waren es geheime Berichte aus den Archiven des auf mysteriöse Weise verstorbenen ›Erik van X‹. Tatsächlich hat Dan Shocker mit Werner die Serie zusammen erfunden und Werner hat auch den Löwenanteil der Romane geschrieben … naja, einige Bände habe ich auch beigesteuert. (Und schon wieder 'ne leicht korrigierende Anmerkung: die Serie erfand ich, Dan Shocker war der Redakteur. Mehr dazu unter Mystery & Fantasy.)
     Das Konzept der »MAGIER«-Serie war gerade so weit, daß Werner und ich die ersten Romane schrieben und ich will auf die Serie hier und jetzt nicht weiter eingehen, weil ich das schon mal an anderer Stelle getan habe. Dan Shocker war erst nicht begeistert von dem Projekt. Er fürchtete um sein Geheimnis. Später aber ließ er sich doch überreden – und grinst sogar mit Vampir-Gebiß im Vorspann.
     Der Arbeitstitel des Streifens lautete »Bald ist die Zeit verronnen«. Da das aber wenig klangvoll und noch weniger aufreißerisch war, änderten wir den Titel bereits während der Dreharbeiten in:

DAS GRAUEN AUS DER GRUFT

Und mein Bruder Peter, unser Hauptdarsteller, der für seine spitze Zunge normalerweise einen Waffenschein benötigt, änderte ihn auf seine Art in »Das Grautier und der Schuft«.
     Die Handlung des Films konzipierten Werner und ich während einer der vielen legendären Bier-Konferenzen in gemeinsamer Arbeit. Wir wußten, was wir an Requisite zur Verfügung hatten und konnten danach die Szenen planen. Und das gütige Schicksal verschaffte uns einige Girlies, die unwahrscheinlich gern Filmstars werden wollen – auch, wenn's kein Geld brachte. Durch ihren Vater, mit dem ich im Rathaus zusammenarbeitete, lernte ich Christina Berninger kennen. Richtig, das ist die Tina Berner aus den früheren »ZAMORRA«-Bänden. Die war damals süße sechzehn und brachte ihre Freundinnen mit, die Werner und mich so richtig inspirierten. Sie waren noch begeisterungsfähig und problemlos zu motivieren … damals jedenfalls.
     Besonders von Sandra Bätzing, die später als Sandra Jamis im »ZAMORRA« eine größere Rolle spielen sollte, waren wir sehr angetan. Sandra paßte genau ins ursprüngliche Konzept des Films, dessen Drehbuch selbstverständlich öfter geändert wurde als die politische Konzeption der Bundesregierung. Denn Roy deVoss, der Magier und Oberheld der Serie, hatte in Yani Atawa bekanntlicherweise eine Japanerin als Freundin. Wo aber, beim heiligen Hirohito und im Namen aller Götter Nippons, findet man eine Japanerin, die wir nicht extra aus dem Lande der aufgehenden Sonne einfliegen mußten, um eine Hauptrolle in unserem Film zu spielen? Sandra Bätzing hatte, als wir sie kennenlernten, glatte, dunkle Haare und eine Gesichtsform, die man mit etwas Make-up zur Japanerin stylen konnte. Werner und ich jubelten. Da hatten wir unsere Yani Atawa.
»Traumpaar«: Regina & Rolf      Roy deVoss, den Magier und Serienhelden, sollte mein Bruder Peter darstellen. Werner bekam die Rolle des schwarzen Geister-Grafen und ich hatte die Ehre, den Sternenlichtzauberer Chris Johnson darzustellen. Sei noch die Nebenrolle von Willibald erwähnt – Werners Skelett, das ihm frevelnde Hände vor einigen Jahren auf dem Zeltplatz in Wallenstein gestohlen haben. Möge Odin den Dieb in den Eisstrom von Hel-Heim stoßen.
     Bevor ich die eigentliche Film-Handlung beschreibe, zur Handlung der »MAGIER«-Serie muß ich noch Verschiedenes erklären. »DER MAGIER« war für den Zauberkreis-Verlag kein besonderer geschäftlicher Erfolg und die wenigsten Phantastik-Fans der heutigen Tage kennen die Hintergründe dieses heute fast vergessenen literarischen Produktes. Deswegen zum besseren Verständnis hier eine kurze Einführung in die Rahmenhandlung vom »MAGIER«.
     Roy deVoss, ein holländischer Öl-Magnat, gegen dessen Finanzen J. R. Ewing wie ein Sozialhilfeempfänger wirkt, wird mit der Macht des Bösen, vertreten durch den Schwarz-Zauberer Magiron, konfrontiert. Man beachte beim Oberschurken schon die geistvolle, den Vorschriften des Heftromans völlig angepaßte Wahl des Namens. Der Zauberer Ma-Ghone, der als Monstrum in einem schotttischen See haust, macht Roy zum Erben seines Ringes (Armreif) und nennt ihn den »Magier«. Zusammen mit Yani Atawa, seiner japanischen Freundin, führt Roy deVoss einen zamorra-haften Kampf gegen das Böse. Einer seiner Mitstreiter ist der Abenteuerer und Sternenlicht-Zauberer Chris Johnson, so eine Art Ahnherr von Robert Tendyke. Johnson vermag perfekte Illusionen aller Art zu zaubern – jedoch nur so lange, wie die Sterne am Himmel strahlen. Da die Serie damals als real geschilderte Ereignisse, basierend auf den Original-Dokumenten aus dem Nachlaß des Holländers ›Erik van X‹ ausgegeben wurde, steht im Vorspann des Filmes zu lesen, daß die Story auf einer wahren Begebenheit basiert und an Originalschauplätzen gedreht wurde.
Am Boden zerstört: Willibald, Giesa's Haus- und Hofskelett - kreeeeiiiisch!      Nun aber zur Film-Handlung »DAS GRAUEN AUS DER GRUFT«: Die Story beginnt wie eine B-Produktion Hollywoods aus den seligen 50ern. Drei Mädchen (Christina, Sandra und Regina) machen einen Ausflug zu einer Burg und finden in einem Verließ ein Skelett (meisterhaft gespielt von Willibald). Übermütig rufen die Girls nach dem Schloßgespenst. Das erscheint auch in Gestalt eines schwarzen Ritters (Werner – oder wer?), mit dunkler Rüstung, Helm und Schwert. »Ihr habt mich gerufen – nun bin ich bei euch! Und ich werde euch finden! Bald ist die Zeit verronnen …!« – Aha, daher der Arbeitstitel …
     Die erschreckten Mädchen fliehen – aber der Geist ist unsichtbar immer um sie. Auch im Schlafzimmer Tinas erscheint der unheimliche Gast und sein Kopf wird zum Totenschädel, der ihr den nahen Tod verkündet. Vor einer Eisdiele erzählt Tina ihren Freundinnen davon. Auf einer Brücke im Wald erscheint der Geistergraf und weist auf Regina – sie ist ihm verfallen. Zauberei lähmt die Bewegungen der Erwählten, während Tina und Sandra entfliehen können.
     Roy deVoss, Magier und Held, der mit Chris Johnson unterwegs zu einem Magier-Convent ist, erkennt durch Ma-Ghones Ring die Gefahr. Der Ring weist ihnen den Weg – aber obwohl Roy den Geistergrafen bekämpft (ein Stock wird durch die Magie des Ringes zum Schwert), gelingt es diesem, mit seinem Opfer zu fliehen. Ma-Ghones Ring zeigt dem Magier den künftigen Fluchtpunkt. Es ist die alte Burgruine. Tina und Sandra kommen hinzu und wollen Roy den Weg zur Burg beschreiben. Die Szenen wechseln zwischen der Autofahrt und dem schwarzen Geistergrafen, der die sich windende Regina gefesselt hinter sich her zieht.
Hans behält vom Turm aus den Überblick      Auf der Burg angekommen, werden die beiden Girlies von Roy in den Turm gewiesen, damit sie beim Kampf mit dem Unheimlichen nicht zu Schaden kommen können. Roy versiegelt die Tür zur Gruft, in die der Graf gehen wird, auf magischem Wege durch Zaubersprüche. Dann überläßt er den Zauber-Ring Chris Johnson, damit seine Illusionen auch bei Tage wirken. Denn Roy muß sich zurückziehen, um in höchstkonzentrierter Meditation Kräfte zu sammeln.
     Es gelingt dem Sternenlichtzauberer, den Geistergrafen eine Weile aufzuhalten. Obwohl dieser mit gezücktem Schwert auf ihn eindringt, gelingt es Chris, mit kleinen, lustigen Zaubereien den Angriff zurückzuschlagen. Beispielsweise wird das Schwert des Grafen durch Zauberei in einen Blumenstrauß verwandelt, bevor es den Sternenlichtzauberer treffen kann. Das war einer jener spontanen Gags, die uns während der Dreharbeiten einfielen. Dann aber schlägt der Graf zurück. Auch er versteht die Macht der Magie und Chris geht mit blutüberströmtem Gesicht zu Boden. Während der Graf die flüchtige Regina durch seine Zauberkräfte wieder heranholt, findet der Magier den sterbenden Freund. Die Kraft des Ringes mit den uralten Zaubersprüchen: »Chraiy, Chamaiy, Fathiyj, Khumaiy« heilt Chris Johnson zwar – aber er ist zu schwach, um Roy weiter gegen den Geistergrafen beizustehen. Der Magier muß allein kämpfen.
     Die magische Versiegelung der Tür hat gewirkt. Noch während der Geistergraf wütet, erscheint Roy, und Regina kann fliehen. Es folgt ein Schwertkampf, bei dem der Graf Roy ständig in andere Dimensionen mitnimmt, in denen er Vorteile hat. Zitat: »Du wirst mir folgen durch Zeit und Raum …«. Dann gelingt es Roy, mit der Kraft des Zauberrings das Schwert des Gegners auf magischem Wege davonschweben zu lassen. Der Geistergraf will in seine Gruft entfliehen – doch Roy klammert sich an ihn und macht den Dimensionssprung mit. Vor dem Tor der Gruft erreicht Roy den Geistergrafen und durchstößt ihn mit dem Schwert. Der Graf wird zum Skelett (noch eine Charakterrolle, die nur Willibald darstellen konnte). Mit Ma-Ghones Ring gibt der Magier dem Geistergrafen Frieden. Per Überblendung verschwindet das Skelett. Am Schluß sind alle lachend vereint – wie in Filmen dieser Art so üblich.
     Das war die Handlung eines Filmes, der unter den unmöglichsten Bedingungen gedreht wurde. Der Ärger ging gleich am ersten Drehtag los. Die Rolle der Yani Atawa mußte nämlich entfallen. Pünktlich zum Drehtag hatte sich Sandra Dauerwellen legen lassen. Und nun sah sie einer Japanerin gar nicht mehr ähnlich.
     Bei den ersten Außenaufnahmen in Frühjahr auf Burg Wallenstein wurde mehr gegackert und gekichert als ordentliche Szenen gedreht. Aber wer will hübschen Mädchen böse sein. Werner kurbelte viel Material herunter – dann fing es an zu regnen und die Arbeiten wurden eingestellt. Bei Wolken kann man nicht filmen und Beleuchtung hatten wir keine – auf der Burgruine hätten wir auch keinen Strom dafür gehabt. Und als der Regen vorbei war, mußten die Girlies nach Hause und sich für das Saturday-Night-Fever fertig machen. Also wurde beschlossen, die Dreharbeiten am nächsten Wochenende fortzusetzen.
     Aus Gründen, die ich heute vergessen habe, verschleppte sich das Projekt bis Ende August. Ich war gerade nach Ahnatal (eine Großgemeinde nahe meiner Heimatstadt Kassel) in eine größere Wohnung umgezogen, als Werner drängte, den Film endlich fertig zu machen. Eine Sichtung des vorhandenen Materials zeigte uns, daß davon nichts zu verwenden war, weil die meisten Mädchen kein Interesse mehr an dem Projekt hatten (Erste große Liebe und so was …)
Regina Stübgen      Nur Tina und Sandra waren noch dabei – und Regina Stübgen, die bei uns für einige Wochen als Auszubildende im Amt war und die sich für alle ungewöhnlichen Dinge interessierte. Sie sah (und sieht auch heute noch) aus, wie sich Werner Teri Rheken vorstellt und hat ein unglaubliches schauspielerisches Talent. Am Rande sei erwähnt, daß sie über viele Jahre im Rahmen der Werbung für die Deutsche Märchenstraße das Dornröschen darstellte und selbst in Japan unsere Stadt vertreten hat. Im ZAMORRA habe ich sie als Regina Stubbe geschildert – besonders im »Disco-Vampir« treten ihre Eigenschaften klar hervor.
     Regina ist ein echtes Sonnenmädchen, das stets die ganze Welt umarmen könnte. Obwohl sie nie einen Grusel-Roman gelesen hat, verstand sie sofort, wie wir uns die Film-Handlung vorstellten und wie sie ihren Part zu spielen hatte. Sie guckte in den Spiegel, schnitt Grimassen – und brachte dann total überzeugend ihre Rolle.
     Daß das bei den beiden anderen Girls nicht unbedingt so war und Regina nach diesen ersten, hier geschilderten Drehmomenten zum absoluten Filmstar der Lamont'schen Produktionen aufstieg, soll die kurze Schilderung nachstehender Szene beweisen. Wir beschlossen, eine Innenaufnahme an den Anfang der neuen Dreharbeiten zu stellten. Gekurbelt wurde in meiner alten Hochhauswohnung in Helleböhn, die inzwischen mein Bruder Peter bezogen hatte. Wie schon erwähnt, stellte er unter seinem Pseudo »Karolus von Twerne« den Roy deVoss dar.
     Die Szene: In Angstträumen wirft sich ein Mädchen im Bett hin und her. Aus dem Nichts erscheint der Geisterritter. Das Girl erwacht, erschrickt und zieht sich die Decke über den Kopf. Peter war an der Kamera, ich führte bei dieser Szene Regie, da Werner als Geisterritter der Akteur war. Sandra sollte das von Alpträumen gepeinigte Mädchen darstellen. Da wir grundsätzlich ohne Ton drehten (die Filme wurden nachvertont), bestand die Möglichkeit für klare Regie-Anweisungen. Und die bekam Sandra auch ganz klar und deutlich gesagt. Aber anstatt daß sie sich unter der Bettdecke drehte, begann die Decke zu hüpfen. Sandra war darunter am Kichern und konnte sich nicht beherrschen. Verständlich, weil Werner in seiner Kostümierung nach den heutigen Vorstellungen des Horrorfilms nicht einmal die lieben Kleinen aus dem Kindergarten erschreckt hätte. Aber unser Kostümfundus ist nun mal arg begrenzt.
     Sandra kicherte also – und die Szene war im Eimer. Wieder einige Meter Film zum Teufel – weil die Kamera vorher durch das Zimmer schwenkte. Also noch mal von vorn – bis zur Bettdecke, die wieder hüpfte.
     Beim dritten Versuch hüpfte die Decke immer noch – aber nicht mehr so arg … also »Action«. Fröhlich wie ein »Good-Morning-Girl« der Fernsehwerbung tauchte Sandra aus den Federn, bekam einen Lachanfall, als sie Werner erblickte und rollte sich kichernd unter die Decke. »Aus … aus … aus … gestorben …« – jedenfalls Sandras Film-Karriere.
     Ich tat, was jeder brave Hollywood-Regisseur auch getan hätte – ich strich Sandra die Szene. Ab dato war sie in diesem Film nicht mehr als schmückendes Beiwerk und brauchte nur noch hübsch zu sein. Tina stieg problemlos ins Bett und mit einer einzigen, kaum wahrnehmbaren Panne (ihr prüfender Blick zur Regie, ob sie sich jetzt unter der Decke verkriechen könnte) paßte die Szene ohne jede Probe im ersten Anlauf.
     Und da haben wir eine der großen Achillesfersen unserer Produktionen. Da Filmmaterial teuer ist, konnten wir, d.h. Werner, es sich nicht leisten, Szenen mehrfach zu drehen. Jeder halbwegs brauchbare Meter wurde akzeptiert. Und da die Zeit an den Dreh-Wochenenden noch knapper war als die Finanzen, bestand kaum die Chance, eine Szene mit den Darstellern einige Male zu proben.
     Alles mußte sofort sitzen. Denn wir hatten zum Drehen nur die Wochenenden – und da auch nur die Samstage. Dazu war alles eine Frage des Wetters und des Tageslichts. Über viele Wochen durften sich die Dreharbeiten nicht hinaus ziehen – da sonst der grüne Sommerwald zum bunten Herbstwald geworden wäre.
Gefesselt: Regina S.      Bei den folgenden Aufnahmen brillierte Regina und avancierte auf der Stelle zum weiblichen Star. Täuschend echt wand sie sich in den Fesseln des Geistergrafen, der sie durch eine öde Gegend zerrte. Bedauerlich ist, daß wir im Hintergrund der Szenerie der öden Heidelandschaft einige mächtige Baukräne mit aufgenommen haben – auch eine Art von Horror.
     Eigentlich wollte Werner für die Szene, in der der Geistergraf seine Gefangene verschleppt, ja als Geisterreiter mit wehendem Mantel per Pferd über die Leinwand preschen. Sandra ist eine vorzügliche Reiterin und hätte auf die Entfernung Regina schon gedoubelt. Aber auf dem Ponyhof konnten wir anstelle des drehbuchgerechten nachtfarbenen Hengstes nur ein altes Fjordpferd bekommen. Und das wäre höchstens in einen Trab gefallen, bei dem man ihm die Hufe beschlagen kann. Naja, wir änderten den Part.
Entfesselt: Rolf und Regina      Eine ähnliche Pleite passierte bei den Aufnahmen, als Roy deVoss und Chris Johnson im Auto fahren. Mein alter Daimler eignete sich recht gut als Auto für einen Gulden-Baron aus dem Lande des Kaas-Köppe. Für die Aufnahmen im Inneren des Wagens benutzen wir unbelebte Straßen in Helleböhn. Werner saß auf der Kühlerhaube des Autos und filmte in den Innenraum, während ich im Schleichgang durch die Straßen fuhr, die ausschließlich zu Garagen führte und wo Autos so häufig sind, wie sie sich unser Magistrat in der Innenstadt wünscht. Daß Werner dabei den kleinen Jungen mitfilmte, der unsere Nobel-Karosse auf dem Fahrrrad überholte, ruft bei jeder Filmvorführung immer wieder ungebremste Heiterkeit hervor. Wäre ich aber schneller gefahren, wäre Werner vielleicht lifehaftig zum Geisterritter geworden. Immerhin saß er ja völlig ohne Sicherung auf der Motorhaube und wäre bei rascherer Fahrt sicherlich abgerutscht. Also mußten wie die Szene so übernehmen. (Wieder 'ne Anmerkung: Mein ursprünglicher Plan, die Kamera per Saugnapfgestell auf der Motorhaube zu fixieren, erwies sich als unbrauchbar; das Ding wackelte zu sehr. Also war manpower angesagt …)
     Kämpfe mit Schwert und Streitaxt ist man auf der Burg von Wallenstein schon gewöhnt, wenn wir anrücken. Deshalb ruft keiner der dortigen Eingeborenen die Polizei. Auch Willibald, unser Skelett, war dort bestens bekannt und es gab bei den dortigen Außenaufnahmen keine Probleme.
     Wie die Wilden kurbelten wir am zweiten Drehtag alle Szenen 'runter, in denen die Girlies dabei waren. Der nächsten Tag war Sonntag, und da hatten alle keine Zeit. Hans Klipp war bei diesem Film hauptsächlich unser Kameramann. Er ist auch in einer kurzen Szene als Langstreckenläufer zu sehen, der von den Mädchen nach dem Weg zur Burg gefragt wird. Auch ein Part, der nachträglich in die Handlung geflickt wurde, weil er maulte, er wolle auch mal mitspielen.
     Zuerst wurde an diesem Samstag die gesamte Handlung in Wallenstein aufgenommen, bei der wir die Mädchen brauchten. Auf dem Weg zurück nach Ahnatal wurden die Anfangssequenzen des Films runtergekurbelt. Jetzt wollten die Mädels aber nach Hause und hatten keine Lust mehr. Die Power war 'raus. Wir brauchten aber noch eine Szene, in der sich die Mädchen über die Erscheinung des Geistergrafen unterhalten. Und wieder führte der Zufall Regie. Neben meiner Wohnung war eine Eisdiele. Und da alle Mädchen kleine Naschkatzen sind, wenn's um Eis geht, brauchten wir nur einige Portionen Eis zu spendieren und die Dreharbeiten gingen weiter. Und so saßen Regina, Sandra und Christina vor der Eisdiele, lutschten sinneserregend an den Kugeln und unterhielten sich über Make-up und ähnlichen Firlefanz, der für Teenager unglaublich wichtig ist. Das Gespräch wurde selbstverständlich später anders synchronisiert.
WKG und RS      Am nächsten Tag drehten wir den Endkampf an der schon genannten Kasseler Löwenburg. Hier befindet sich auch die Original-Skelett-Gruft, die wir in die Aufnahmen von Burg Wallenstein eingefügt hatten. Unsere Gruft ist eine Art Torturm, dessen Eisengitter sich öffen läßt. Es war nicht nur Sonntag, sondern wir hatten auch absolutes Kaiserwetter. Natürlich war der Park voller Spaziergänger und wir wurden mißtrauisch beäugt, als wir Schwerter und anderes mittelalterliches Kriegsgerät aus dem Wagen räumten, als gäbe Hägar der Schreckliche eine Party. Bevor man die Polizei auf eine neue Anarcho-Truppe aufmerksam machen konnte oder uns in die Klapsmühle einwies, erklärten wir uns für Studenten, die im Auftrage der damals neugegründeten Kasseler Uni eine Studie über Gewaltdarstellung u.s.w. und die Wirkung der unbeteiligten Bevölkerung auf Brutalo-Szenen drehen würden. Das sprach sich herum und deshalbe hatten wir den Hintergrund unseres Kamerafeldes immer frei. Keiner der Besucher wollte im Hintergrund sichtbar sein und dokumentieren, daß er unsere Darstellung »brutaler Gewalt« genoß. Aber hinter der Kamera staute sich der gaffende Pöbel.
     Ich gab meinem Bruder noch einige Lektionen im Schwertkampf, weil er die Klinge immer wie ein Florett schwang, und dann klirrten die Waffen. Die Waffengänge gingen mit so viel Action ab, daß sich die Leute rasch verdrückten, um ja nicht ins Bild zu kommen und zu demonstrieren, daß sich Menschen von heute für Gewalt und Gladiatorenspiele begeistern können. So gelang es uns, einigermaßen rasch unsere Einstellungen runter zu kurbeln.
     Leider klappte es nicht, das Schwert des Geisterritters mittels Angelschnur kunstvoll durch die Luft schweben zu lassen. Senkrecht pendelt die Klinge zwischen zwei Sträuchern aus den Händen des Bösen, der gerade zum Karnickelfangschlag auf den Helden ausholen will. Und weil das Filmmaterial alle war, hatten wir keinen neuen Versuch. Und das war die letzte Szene des MAGIER-Films. Blieb nur noch das Bier danach auf Kosten des Produzenten.
     Den Filmschnitt und die eingespielten Tricks samt dem Vorspann nahm Werner in Lippstadt vor. Der Film war bei der ersten Betrachtung gar nicht so schlecht, und durch die unterlegte Musik wurde die Handlung noch wesentlich lebendiger. Das Roy deVoss-Thema entnahmen wir dem Film »Blade Runner« (es kommt in jenem SF-Streifen am Schluß). Ansonsten benutzten wir sehr viel Musik aus dem Film »Conan, der Barbar«. Dazu kam diverse Action-Musik aus Winnetou-Filmen und natürlich »Siegfrieds Trauermarsch« aus der »Götterdämmerung« von Richard Wagner. Diese grandiose Musik war damals gerade durch den Film »Excalibur« wieder populär geworden. Und jede der Musiken fügte sich in die Szenen ein, als seien sie nur für uns komponiert und aufgenommen worden. Es war schon fast unheimlich, wie alles zusammen paßte.
     Daß die Vertonung des Filmes alleine ungefähr zwölf Stunden Arbeit kostete, d.h. die ganze Nacht, sei nur am Rande erwähnt. Da es ein Tag mitten in der Woche war, durfte ich am nächsten Morgen gleich wieder zur Schicht, während Werner geruhte, zu Bette zu schreiten.
     Und dann kam etwas, was wir bei unseren Filmen besser gelassen hätten – die Synchronisierung der Dialoge.
     Für den Betrachter des Films wäre es besser gewesen, wir hätten zur Musik einen spärlichen, erklärenden Text gesprochen. Das Fiasko kam, weil wir keine feststehenden Texte besaßen, nach denen sich Schauspieler und Synchro-Sprecher richten konnten.
     Wie ich schon berichtete, hatten wir für den MAGIER-Film nicht mal ein Drehbuch. Wir filmten die einzelnen Szenen völlig aus dem Gedächtnis. Ein Dialogbuch für die Film-Szenen zu schreiben, hätte uns Zeit gekostet. Und Zeit hatten wir nicht, weil wir beide voll im Romangeschäft waren und uns außer Romane und Leserpost nichts an die Schreibmaschine brachte.
Hier wird schwer gearbeitet!      Also wurde wie üblich auf die Kunst der Improvisation vertraut und die Girls an einem Nachmittag nach Ahnatal geholt. Sie waren wild darauf, das fertige Produkt zu sehen und hatten nichts dagegen, zur Hintergrundmusik noch einige Dialoge auf den Film zu sprechen. Pech war, daß Sandra an diesem Tag nicht konnte. Also blieb uns nichts anderes übrig, als auf die dritte Mädchenstimme zu verzichten.
     Das ging aber leidlich gut und fällt dem unvoreingenommenen Betrachter kaum auf. Und eigentlich kam es auch nicht mehr drauf an, weil ohnehin keine nachträgliche Lippen-Synchro möglich war. Denn die improvisierten Texte der Dreharbeiten waren schon längst vergessen. Ich erinnere hierbei nur an die schon geschilderte Szene in der Eisdiele, wo die Girlies statt über die nächtliche Spukerscheinung über Make-up und Traum-Boys redeten. Und außerdem hatte Sandra, nachdem wir ihr Talent als Anti-Schauspielerin im Charakterfach klar erkannte hatten, in diesem Film ohnehin nichts mehr zu sagen, sondern nur noch hübsch zu sein. Es fällt wirklich nicht auf, daß ihre Stimme fehlt.
     Die Synchronisations-Arbeiten gingen los, indem wir uns den kompletten Film nur mit Musikuntermalung ansahen und den Girlies dabei erklärten, was sie zu den einzelnen Szenen zu sagen hatten. Extreme Dinge wie Angstschreie oder Stöhnen wurden natürlich sofort zwischen Kaffee und Kuchenkrümeln während des laufenden Films ausprobiert.
     Besonders erheiternd war es für Tina und Regina, den Schreckensschrei zu üben, als das Skelett in der Gruft zusammenbricht. Sie kreischten los, als wollte ihnen ein Buhldämon an die Wäsche. Das wurde natürlich unten auf der Straße gehört und sorgte für einen mittleren Volksauflauf vor dem Haus. Auf dem Land ist es ohnehin verdächtig, wenn man Schriftsteller ist. Hat man noch diverse Schwerter und einen Raben in der Wohnung und bekommt außerdem noch ständig Besuch von einem Cowboy mit seinem Skelett, liegt die Vermutung nahe, daß es sich um einen der Hammer-Production entsprungenen Mad-Scientist handelt. Es ist mir heute noch unbegreiflich, daß der sich auf den Straßen zusammenrottende Mob mir nicht die Hütte stürmte, als Tinchen und Reginchen in höchsten Tönen quietschten. Ach, was war ich froh, als der Kreischer (wenn auch mit zweisekündiger Verspätung) auf der Tonspur aufgenommen war.
     Ansonsten wußte keiner der Sprecher so recht, was er sagen sollte. Alle Akteure, meinereiner inclusive, haben uns mehrfach im Text verhaspelt. Dazu kommt beim kompletten Ensemble (außer bei Werner) der schöne Kasseläner Dialekt so richtig zur Geltung.
Im Wald und auf der Heide ... Rolf Michael, Chris Berninger und WKG      Tina und Regina plapperten allerdings munter drauf los und erst ein »Ach, Scheiße« zeigte an, daß Tinchen nicht mehr wußte, was sie sagen sollte. Zeit, die Dialoge noch einmal aufzunehmen hatten wir nicht – die Mädchen mußten wieder nach Hause. Immerhin war Samstag und da ist Disco- und Party-Time. Und der Film mußte fertig werden, weil er auf einem Con gezeigt werden sollte.
     Da man die auf den Film neugiere Fangemeinde nicht enttäuschen wollte, konnte auf Pannen bei der improvisierten Rhetorik keine Rücksicht genommen werden. Die so entstandenen miserabelen Texte und ungenauen Einschübe erklären einen Großteil der negativen Wirkung des Gesamtwerkes auf den Betrachter.
     Die über die Dialoge gesetzten Synchro-Geräusche aus dem Hintergrund bilden auch Probleme. Sie wurden während des laufenden Films auf ein Tonband aufgenommen. Doch leider haben keine zwei Bänder ein völlig synchrones Laufwerk. Und schon hatten wir Zeitverzögerungen, die zwar nur Sekunden ausmachen, die jedoch im Film voll zu erkennen sind. Ich hatte bei den Schwertkämpfen (die leider nicht, wie beim »DRACULORD«, mit anderer Drehzahl gefilmt wurden und deshalb auch nicht so dramatisch wirken) mit zwei Küchenmessern das Klirren der Waffen genau auf den Schwerthieb synchronisiert. Im Film läuft der Ton eine Sekunde daneben und es ist besonders peinlich, wenn sich die Duellanten kurzzeitig trennen und es dennoch einige Male klirrt.
     Nun, mit solchen Unzulänglichkeiten muß man leben. Aber alle diese Dinge sollte sich der Kritiker vor Augen führen, bevor er »Das Grauen aus der Gruft« verreißt.
     Es gibt richtige Kino-Filme, die professionell hergestellt wurden und die nach unseren Verhältnissen Unsummen kosten. »Ator, Herr des Feuers« ist ein Paradebeispiel. Da sieht man dann Strommasten im Hintergrund einer Fantasy-Welt oder Fahrspuren von Autoreifen. Dazu kommt ein Spinnennetz aus bester Wäscheleine und Kostüme, die man auf jedem FOLLOW-Con besser zu sehen bekommt. Dazu eine dilettierende Schauspielercrew, deren Bewegungen und Mimik selbst die Leistungen unserer Sandra ins Charakterfach versetzt. Ich denke, im Vergleich mit solchen Machwerken wirkt unsere Eigenproduktion gar nicht schlecht. (Und wenn ich mir dann die sagenhaften John Sinclair-Filme von Endemol anschaue, speziell in den Urfassungen, die den Göttern sei Dank nicht gesendet, sondern nochmal zum Nachdreh zurückgegeben wurden … aus Holland kommt eben Käse … Anmerkung von WKG)

Kassel-Helleb., im Februar 1993
Überarbeitet in Felsberg-Rhünda, im August 1999
Copyright © by Rolf Michael

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