DAS GRAUEN KOMMT NACHTS

(aka: DELIRIUM, OT: DELIRIO CALDO), Italien 1972

Regie: Renato Polselli

Darsteller: Mickey Hargitay, Rita Calderoni, Tano Cimarosa, Christa Barrymore u. a.

Länge: 102 Minuten (International Cut), 85 Minuten (American Version)

Letztes Jahr schaute mich der Comic-Dealer meines Vertrauens ganz traurig an und verkündete: „Heute hab ich keine bunten Heftchen für dich, aber hey, schau mal die DVD hier. Der Film ist voll crazy, mit vielen Hupen und abartigen Sexualverbrechen. Das ist doch genau deine Linie! Angeblich soll das ja ein Giallo sein, aber das vergisst du am Besten ganz schnell wieder…“

Delirium 1

Er musste mich nicht weiter überzeugen, natürlich habe ich die DVD sofort gekauft!

Tjaha, der Mann weiß schon, wie man mir einen Film aufschwatzen kann. Wenn ihr wissen wollt, was er mir da grandioses angedreht hat, dann lest schnell weiter!


Zur Story:
Herbert Lyutak (Mickey Hargitay) ist Kriminalpsychologe und hat, so ganz nebenbei gesagt, enorme persönliche Probleme. Zwar ist er seit geraumer Zeit mit der extrem schnuckeligen Marcia (Rita Calderoni) verheiratet, sieht sich aber leider nicht in der Lage, die Ehe zu vollziehen, denn Lyutak ist impotent. Da kann sich seine Marcia noch so verführerisch auf den Laken räkeln und „Tu mit mir, was du willst“ hauchen, bei Lyutaks herrscht im wahrsten Sinne des Wortes tote Hose.

Delirium 2

Aber irgendwie muss Herbert dann doch ab und zu mal Druck ablassen. In der örtlichen Kneipe gabelt er ein Mädchen auf und verspricht diesem, es zum nächsten Nachtclub zu kutschieren. Im Auto fängt Herbert sogleich an, die junge Dame zu befummeln. Gefällt ihr nicht sonderlich, klar. Ganz vorbei ists dann aber, als sie bemerkt, dass Lyutak mit ihr ins völlige Niemandsland gefahren ist. „Das ist aber nicht der Weg zum Nachtclub“, merkt sie an und hat damit völlig recht. Denn unser Herbert will ihr in aller Ruhe den hübschen Hals herumdrehen. Was er nach einer kurzen Verfolgungsjagd, bei der das Mädchen – natürlich – diverse Kleidungsstücke verliert, auch tut. Daraus zieht unser Herbert seinen Kick, wenn er schon keinen hochkriegt und – wie wir erfahren – offenbar ist dies nicht sein erster mörderischer Ausflug.

Schon bald findet sich unser Held im Gewahrsam der Ordnungshüter wieder. Schließlich hat man beobachtet, wie er mit dem Mädchen das Lokal verlassen hat. Doch es gelingt ihn, den Verdacht auf einen unbescholtenen Parkplatzwächter zu lenken. Das jedoch wäre gar nicht nötig gewesen, denn noch während sich Lyutak bei der Polizei befindet, geschieht der nächste Mord…

Mehr sollte man an dieser Stelle eigentlich gar nicht verraten, um die unglaubliche Story nicht zu spoilern.

Mein Comic-Dealer, das sei gesagt, hatte allerdings völlig recht. Ein Giallo ist das nicht wirklich. Hier regiert der nackte Sleaze und insgesamt steht „Delirium“, so der US-Titel, von Geist und Machart her einem Jess Franco viel näher als beispielsweise einem Dario Argento.

Delirium 3

Dr. Herbert Lyutak (oder wie er sich selbst nennt „Herrrrrbert“) wird uns direkt in der Einleitung dieses schönen Films als Täter präsentiert, der seine Impotenz mit sadistischen Morden kompensiert. Das es einen zweiten Täter geben muss, wird aber, wie oben geschildert, sehr schnell deutlich und von da ab wird es immer verwirrender, bis zum Schluss alle Beteiligten mehr oder minder unmotiviert in den Wahnsinn abdriften. Die Auflösung des schmierigen Geschehens ist nicht unbedingt schlüssig, aber immerhin ziemlich originell.

Explizite Gewaltexzesse und Blutfontänen gibt es hierbei freilich nicht zu sehen, dafür aber umso mehr an nackter Haut. Kontrastiert wird das aktuelle Handlungsgeschehen immer wieder mit surrealen, sado-masochistischen Traumsequenzen der hübschen Marcia, die sich hier gemeinsam mit ihrer Schwester und dem Hausmädchen (selbiges hört auf den ulkigen Namen Lolel) willig der Knute ihres kettenrasselnden Ehemannes unterwirft. In Marcias feuchten Träumen wird der unfähige Gemahl zum dominanten Berserker.

Delirium 4

Für das Jahr 1972 kommt die ganze Thematik im Übrigen bemerkenswert explizit über die Bühne. Da gibt’s die volle Sleaze-Packung mit vielen Hupen und haarigen Vaginen. Kettenrasseln und Peitschenknallen inklusive. Hätte ich von einem Film dieses Alters nicht unbedingt erwartet, muss ich ehrlich sagen. Überflüssig zu sagen, dass ich das ziemlich gut fand…. 🙂

Die Besetzung macht ihre Sache, trotz des teilweise hanebüchenen Drehbuchs ziemlich ordentlich.

Delirium 5

Der 2006 verstorbene Mickey Hargitay (Herrrrbert), seines Zeichens Exmann des bei einem obskuren Autounfalls ums Leben gekommenen Busenwunders Jayne Mansfield, drehte nach seiner Ehe vornehmlich obskure Horrorfilme und Western im sonnigen Italien. Hargitay wurde in Ungarn geboren und ging 1947 in die USA, wo er 1955 zum „Mister Universum“ gekürt wurde. Man könnte sagen, er war der Arnold seiner Zeit. Okay, ganz so erfolgreich war Hargitay freilich nicht, aber er hat, genau wie der Gouvernator schon einmal den Herkules gespielt – nämlich in „Die Liebesnächte des Herkules“ aus dem Jahr 1960. In „Delirium“ ergeht sich Hargitay in hemmungslosem, augenrollendem Overacting, was aber absolut zur Rolle passt. Den impotenten Lustmörder habe ich ihm jedenfalls sofort abgekauft.

Delirium 6

Rita Calderoni, die seine unterwürfige Frau Marcia spielt, hat in so schönen Filmen wie „Nude for Satan“ mitgespielt. Im Kern ist „Delirium“ tatsächlich so etwas wie eine verquere, höchst merkwürdige Liebesgeschichte und Calderoni lässt in ihrer Rolle keinen Zweifel daran, dass sie ihren angetrauten Gemahl bis zum Wahnsinn liebt und alles für ihn tun würde. Dass sie auch nackig eine ziemlich gute Figur macht, sei nur nebenbei angemerkt 🙂

Der Rest des Casts war mir persönlich unbekannt, allerdings fand ich die schulterleckende Lolel ziemlich töfte, dies aber ebenfalls nur nebenbei!

Delirium 7

Wie schon erwähnt, der Plot ist ziemlich verschlungen und seltsam. Die Krone wird dem Ganzen dadurch aufgesetzt, dass der Film in England spielen soll, obwohl in dem Film – von Hargitay mal abgesehen – fast nur Italiener herumhüpfen und auch die Locations alles andere als very british wirken. Man hat dieses offentlichtliche Problem gelöst, in dem man in einer Polizeirevier-Szene zwei Leutchen mit typischen Bobby-Hütchen durchs Bild turnen lässt und eine rote Telefonzelle in einem italienischen Park plaziert hat. Aber hey, das geht voll in Ordnung. Schließlich hat es Flutsch-Meister Franco ja auch schon einmal geschafft, dem geneigten Zuschauer Zürich als London des Jahres 1888 zu verkaufen.

Bevor ich jetzt endlich zum Fazit komme, hier noch ein paar Worte zur DVD. Eine deutsche Scheibe dieses Films werdet ihr leider vergeblich suchen, da müsst ihr euch an das alte Video-Tape halten. Ich sah die US-DVD des Films von „Blue Underground“, die sowohl den International Cut als auch die American Version enthält.

Delirium 8

Diese American Version enthält – welch Wunder – etwas weniger Sleaze, dafür mehr Morde. Darüber hinaus ist sie gut zwanzig Minuten kürzer, enthält dafür aber einen alternativen Anfang und ein komplett umgemodeltes Ende. Hier hat unser Herrrrrbert noch bedeutend mehr persönliche Probleme, fängt der Film hier doch mit einem Einsatz in Vietnam (stock footage) an, bei dem unser Held eine zünftige Verletzung am Dez davonträgt.

Der Tip des Kommissars: Schaut euch lieber den International Cut an. Nur da gibt’s die volle Packung an Hupen, Vaginen und (das exklusiv für Fräulein Atali) killer lesbians!

Nun also das Fazit: Das ist ein Film, der wie für dieses Blog gemacht ist! Der Kommissar gibt eine unbedingte Kaufempfehlung!

Raki-o-Meter: Stammleser dieses Blogs können diesen Film durchaus nüchtern genießen. Ernsthafte Giallo-Fans sollten bis zu fünf Pülleken im Gepäck haben 🙂

Kommissar Lehmann

Autor: Kommissar Lehmann

Wenn ihr euch bewegt, sehe ich das!

4 Gedanken zu „DAS GRAUEN KOMMT NACHTS“

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