Regie: Takashi Shimizu
Shinya Tsukamoto (Masuoka), Tomomi Miyashita, Kazuhiro Nakahara, Miho Ninagawa, Shun Sugata
Laufzeit: 92 Minuten
Heute, am besinnlichen zweiten Weihnachtstag, geht’s mal wieder in den Fernen Osten. Zur Abwechslung widmen wir uns heute nicht dem gepflegten Flutsch-Film, sondern wenden uns dem Thema „Horror“ zu.
Masuoka, der von Beruf Kameramann ist, wird Zeuge eines bizarren Selbstmordes. Ein Mann sticht sich in einer U-Bahn-Station die Augen aus. Masuoka, ohnehin schon ein ziemlich eigenartiger Vogel, verschanzt sich daraufhin in seiner mit Video-Equipment vollgestopften Wohnung, um sich immer wieder die Aufzeichnung der Bluttat anzusehen. Er ist überzeugt, dass der Mann sich die Augen ausgestochen hat, weil er etwas absolut furchtbares gesehen hat und nun keinen anderen Weg mehr sah, seiner Angst zu entkommen.
„Ich will sehen, was er gesehen hat“, denkt sich Masuoka natürlich prompt und macht sich mit seiner Videokamera auf den Weg.
In der U-Bahnstation stößt er auf eine geheime Tür, die in noch tiefer gelegenere Bereiche hinabführt. In einem gewaltigen, unterirdischen Labyrinth findet Matsuoka dann schließlich ein angekettetes, nacktes Mädchen, welches er befreit und folgerichtig gleich mit nach Hause nimmt. Wie sich herausstellt, hat es ziemlich spitze Zähne und mag den Geschmack von frischem Blut…
Ja, das ist doch wieder mal ein typischer Vertreter seiner Art.
Takashi Shimizu, dem Regisseur, haben wir schon die „Ju On – The Grudge“-Serie in all ihren Variationen zu verdanken, das bürgt ja schon einmal für Qualität und den ein oder anderen Schauer des Unwohlseins. Wie immer sollte man eine Ader für den fernöstlichen Gruselfilm mitbringen, sonst könnte es passieren, dass man sich furchtbar langweilt, denn mit konventionellem US-Teenie-Splatter-Horror hat das alles natürlich nichts zu tun.
„Marebito“ hat nur wenige blutige Effekte zu bieten. Dialoge gibt es auch kaum. Hinzu kommt die eigenwillige Optik. Der Protagonist ist ständig mit seiner Kamera unterwegs, was das Geschehen prägt und oft genug erleben wir den Film durch seine Linse. Das drückt dem Streifen einen deutlichen Stempel auf. Gedanken und Gefühle erfahren wir hauptsächlich durch die Off-Stimme Masuokas. Da dieser, wie dem unvoreingenommenen Betrachter sehr schnell klar wird, aber gehörig einen an der Waffel hat, fühlt man sich nicht unbedingt wohler in seiner Haut. Realität, Illusion und gepflegter Wahnsinn verschwimmen relativ schnell in diesem Film.
Auch dezente Bezüge zu H. P. Lovecraft werden einem in diesem Werk um die Ohren gehauen. „Dies sind die Berge des Wahnsinns“, flüstert Masuoka, als er unterhalb der U-Bahn-Schächte die unterirdische Stadt und das gewaltige Labyrinth durchstreift. Man ist geneigt, ihm recht zu geben. Masuokas Reise in die unterirdischen Labyrinthe wird zu einem kreiselförmigen Abstieg in seine persönliche Hölle. Immer tiefer in den Wahnsinn hinein.
Dabei fängt der gehirnalberne Teil des Films nach dem Fund des Mädchens in den Katakomben allerdings erst richtig an. Der Film wird noch einmal unbehaglicher.
Freilich, der Home-Made-Look von Marebito ist ein Ding für sich, ebenso wie der spärliche Dialog und der quasi nicht vorhandene Soundtrack. Die Atmosphäre wird hier durch die inneren Gedanken des Protagonisten und die Soundeffekte erzeugt. Das Geschehen konzentriert sich ganz auf Masuokas ambivalente und bizarre Beziehung zu dem aufgefundenen Mädchen, welches er in Ermangeleung eines anderen Namens einfach “F” nennt. Mehr sollte man freilich nicht verraten…
Für mich war Marebito eine sehr angenehme Grusel-Überraschung. Unbedingt nüchtern ansehen, sonst vermag man dem Geschehen zwischen Realität und Wahnsinn nämlich nicht mehr zu folgen 😉